Die Landwirtschaft fällt im Strukturwandel allmählich aus den Dörfern und der Gesellschaft heraus. Die Höfe werden immer weniger und immer größer; und sie werden immer ungreifbarer und unbesuchbarer. Der konventionelle Bauer muss seine spezialisierten Maschinen vor unkundigen Fingern und seine empfindlichen Massentiere vor Keimen schützen.
Doch gleichzeitig wächst das gesellschaftliche Bedürfnis nach regionaler Versorgung und nach dem Erlebnis einer Landwirtschaft, die mit Tieren und Pflanzen würdig umgeht. Auch wenn manches darin romantisch verklärt daherkommt, äußert sich darin doch eine gefühlte Verantwortung für den Boden und die uns anvertrauten Nutzpflanzen und Haustiere auf den Höfen.
Die konventionelle Landwirtschaft ist hier in einem Dilemma, denn vieles, was sie praktiziert, wollen die Leute bei Licht gesehen nicht haben - von den "Pflanzenschutzmittel" genannten Pestiziden bis hin zu den Haltungsbedingungen von Rindern, Schweinen und Hühnern. Keimfreiheit als Tierschutz zu verkaufen ist nicht für jeden überzeugend. Wenn es darum geht, auf die neuen Bedürfnisse der Bürger einzugehen, hat der Ökolandbau daher Vorteile und bietet viele Ansatzpunkte - auch wenn, Stichwort enthornte Kühe, auch hier noch manches im Argen liegt.
Doch die Möglichkeiten, sich den Bedürfnissen der Leute vor Ort zu öffnen, sind breit gestreut und gehen über Hofladen oder Pferdeboxen weit hinaus. Ein Bauernhof kann für seine soziale Umgebung vieles leisten:
Mit Ausnahme von Nahrungsmitteln lassen sich alle diese Leistungen am Weltmarkt nicht kaufen. Die ökologischen und sozialen Dienstleistungen, die von einer vollwertigen Landwirtschaft ausgehen, machen den Hof für seine Region unverwechselbar und unverzichtbar.
Doch die Potenziale dieser Leistungen bleiben in ihrer ganzen Reichhaltigkeit noch zu entwickeln. Höfe, die dies versuchen wollen, müssen sich öffnen und in ihrer Struktur verändern. Für Bauern und Bäuerinnen bedeutet das ein erweitertes Selbstverständnis mit erhöhten Anforderungen an ihre kommunikativen und sozialen Kompetenzen. Genauso sind jedoch auch Verbraucher, Umweltgruppen und Gemeinden gefragt: Sie müssen lernen, lebendige und verantwortliche Beziehungen zu "ihren" Höfen aufzubauen.
Die Entwicklung zu einem vor Ort eingebundenen "Kulturlandhof" ist ein allmählicher Prozess. Vor allem auch die Initiative des Umkreises, von Verbrauchern und Hofinteressenten ist hierbei gefragt. Sie können sich gute Beispiele anderswo zum Vorbild nehmen und Bauern vor Ort einfach einmal ansprechen, ob sie sich den Versuch einer Öffnung auf diesem oder jenem Feld vorstellen können.
Natürlich ist den Landwirten, für die der Hof ja die selbständige Existenz ist, ganz pragmatisch auch an einem Einkommen für die Leistungen gelegen - zumindest perspektivisch sollte dies eine Selbstverständlichkeit sein. Es muss nicht immer ein direkter Stundenlohn sein; auch Unterstützungen im Finanzierungsbereich in Form von Darlehen oder z.B. die Einrichtung eines Schulklassenzimmers durch einen Förderverein können hilfreich sein.
Die Einbindung eines Hofes in seine soziale Umgebung vor Ort schafft ein Gegenbild zu dem am Weltmarkt orientierten Betrieb, der sich durch die spezialisierte Produktion von Nahrungsrohstoffen immer weiter von seiner Gemeinde entfernt, und der als zu kleines Rädchen in der "freien" Marktwirtschaft immer mehr von seiner Freiheit verliert.
Titus Bahner